23.02.2022

„Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“

In diesem Blogartikel widmen wir uns einem gleichermaßen sensiblen als auch sehr hilfreichen Themenbereich. Es geht um heilpädagogisches Reiten, also im Wesentlichen darum, wie Menschen mit geistigen, körperlichen oder sensorischen Behinderungen durch Kontakt mit Pferden geholfen werden kann. Dabei begegnen dir zahlreiche Begriffe, die es erst einmal einzuordnen gilt. Des Weiteren klären wir Fragen wie: Wer darf therapeutisches Reiten anbieten – Welche Vorteile stecken in der Reittherapie – Wird die Reittherapie von der Krankenkasse bezahlt – und was kostet therapeutisches Reiten? Viel Spaß beim Gewinnen neuer Erkenntnisse und der Therapie mit Pferden.

 

Vier Hufe, zwei Beine = ein Therapieerfolg

Vier Hufe, zwei Beine = ein Therapieerfolg

Therapeutisches Reiten – eine lange Erfolgsgeschichte

Pferdetherapie ist weder Trend noch eine Modeerscheinung, sondern wird seit Jahrhunderten erfolgreich eingesetzt. Bereits im antiken Griechenland wurde Reiten als therapeutische Maßnahme gepflegt, um körperliche und geistige Gebrechen zu behandeln. Die heute gängige Pferdetherapie hat ihren Ursprung in den USA und Kanada. Das erste spezielle Reittherapiezentrum und der entsprechende Reittherapieverband stammen aus dem Jahr 1969. Wobei „Therapeutisches Reiten“ eigentlich einen Oberbegriff darstellt und die Fachbereiche Medizin, Pädagogik, Psychologie und Psychotherapie umfasst. Dies kommt in folgenden Therapieformen zum Ausdruck:

    • Heilpädagogisches Reiten, auch Reitpädagogik
    • Heilpädagogisches Voltigieren
    • Reittherapie
    • Hippotherapie

 

Heilpädagogisches Reiten

Die Wissenschaft von der Erziehung und Bildung lässt sich auch für heilpädagogisches Reiten einsetzen. Durch den intensiven Kontakt zum Pferd werden vor allem Menschen mit Behinderung ganzheitlich geistig, körperlich, sozial und emotional angesprochen. Wobei sich pädagogisches Reiten nicht nur die Arbeit auf dem Reitplatz bezieht. Gerade auch durch die Pflege des Tieres und die Arbeit im Stall wird die Bindung zwischen Reiter und Pferd gefördert. Die Reitpädagogik richtet sich im Besonderen an Kinder mit Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Der Umgang mit dem Therapiepferd nimmt positiven Einfluss auf die Kinder und geht auf Symptome wie Autismus ein. Die Kinder nehmen indessen jede Reitstunde spielerisch wahr, bleiben lange motiviert und erfreuen sich an der Teilnahme. Die postiven Auswirkungen beim Therapiereiten für Kinder:

  • bessere Selbsteinschätzung
  • Verbesserung von Koordination, Gleichgewicht und Körpergefühl
  • Förderung von Fein- und Grobmotorik
  • Rücksichtnahme auf sich, das Pferd und andere Kinder

Heilpädagogisches Voltigieren

Nimmt man es genau, dann ist Reitpädagogik eigentlich die Grundvoraussetzung um weitere Heilmaßnahmen durchzuführen. Denn nur durch intensive Kontaktaufnahme zum Pferd entsteht Vertrauen zwischen allen Beteiligten. Beim Voltigieren läuft das Pferd an der Leine (Longe) und folgt den Kommandos des Reittherapeuten. Auch der Patient folgt den Anweisungen, indem er auf dem Rücken des Pferdes leichte Gymnastikübungen vollführt. Dabei gleicht der Reittherapiepatient quasi die Gangart des Pferdes aus und passt sich den Bewegungsabläufen an. Der Patient bekommt ein gutes Gefühl für sein Gleichgewicht und gleichzeitig verbessert sich die Koordination der am Bewegungsablauf beteiligten Gliedmaßen. Heilpädagogisches Voltigieren findet in der Regel in der Gruppe statt, da es hier zur besagten Gruppendynamik kommt. Die Patienten unterstützen sich gegenseitig und sprechen sich Mut zu:

  • Steigerung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens
  • Abbau von Verhaltensstörungen und Verhaltensauffälligkeiten
  • Förderung von Autonomie und Selbstkontrolle
  • Ausgleich von Stimmungsschwankungen
  • Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
  • Erhöhung der Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Stärkung der sensomotorischen Bewegungsabläufe
  • Konditionierung der Muskulatur (Muskelkraft, Muskelspannung etc.)

Das Pferd als Seelentröster

Das Pferd als Seelentröster

Reittherapie

Auch in der eigentlichen Reittherapie sind pädagogische Maßnahmen integriert. Wenngleich hier eher der aktive Part zwischen Reiter und Pferd in den Mittelpunkt rückt. Hierbei ist auch die sogenannte pferdegestützte Psychotherapie zu nennen. Denn manchmal helfen Worte zwischen Menschen nicht weiter und können sogar hinderlich sein, das eigene „Selbst“ zu entdecken. Genau an diesem Punkt setzt die pferdegestützte Psychotherapie an, bei der das Pferd mit seiner Sensibilität und scharfen Beobachtungsgabe in stille Kommunikation mit dem Patienten tritt. Pferde sind ein perfekter Spiegel für den emotionalen Zustand, in dem wir uns gerade befinden. Die sensiblen Tiere nehmen selbst feinste Stimmungen, innere Konflikte und unbewusste Wünsche in unserer Körpersprache wahr. In diesen Fällen kann pferdegestützte Psychotherapie helfen:

 

In diesen Fällen kann pferdegestützte Psychotherapie helfen

  • Burnout und Depression
  • Zwänge und Angststörungen
  • Chronische Schmerzen
  • Essstörungen
  • Traumafolgestörungen (Spezialangebote für Feuerwehr, Soldaten etc.)
  • Trauerbegleitung
  • Berufliche Probleme
  • Schwierige Lebenssituationen
  • Demenz

Wenn sich die Reittherapie im Besonderen mit der Interaktion zwischen Reiter und Pferd befasst, spricht man von einer sozialen Pferdetherapie. Wenn es der Sache dient, können auch das gesamte Umfeld in das pädagogische Reiten mit einbezogen werden (Reittherapeut, Familienmitglieder, Partner etc.).

 

Hippotherapie

Da in obigem Begriff das Wort „Hippo“ aus dem Griechischen für Pferd steckt, wird die Hippotherapie gerne als Oberbegriff für therapeutisches Reiten benutzt. Das ist fachlich jedoch nicht ganz korrekt. Die Hippotherapie wird gerne von besonders ausgebildeten Ergotherapeuten genutzt, um für den Patienten eine funktionelle Verbesserung auf körperlicher Ebene zu erreichen. Bei jeder Therapieeinheit kommt es zu einer Bewegungsübertragung des Pferdes, vorrangig im Schritt, bei der Bewegungs- und Schwingungsimpulse auf den Reiter übertragen werden.

Die Therapiepferde werden dabei als Medium einbezogen, da durch die entstehende Bewegung und Pferd-Mensch-Beziehung die Wirkung der herkömmlichen Ergotherapie deutlich verstärkt wird. Bei dieser Form der Pferdetherapie werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Störungen in der Motorik, Wahrnehmung, Psyche und im Sozialverhalten unterstützt. Im Wesentlichen geht es bei dieser Therapiemethode also nicht darum, reiterliche Fähigkeiten zu erlernen, sondern um die individuelle Förderung von Körper und Psyche. Die Therapiepferde stärken das Selbstvertrauen, führen zu angepassten motorischen Reaktionen und wirken sich positiv auf die Tiefensensibilität aus. Somit lassen sich auf dem Pferderücken auch Defizite des Bewegungsapparates ausgleichen.

 

Pferde sind Engel ohne Flügel

Pferde sind Engel ohne Flügel

 

Bei diesen Diagnosen kann die Hippotherapie helfen:

    • Schlaganfall
    • Multiple Sklerose
    • Ataxie (Bewegungsstörung)
    • infantile Cerebralparese (Störung des Haltungsapparates aufgrund Gehirnschädigung)
    • Hemiplegie (Lähmung einer Körperhälfte)
    • Spastik (Verhärtung und Steifheit von Muskeln)
    • chronisch hoher Muskeltonus
    • Querschnittssyndrom
    • Schädelhirntrauma
    • Spina bifida (Wirbelspalt)
    • Wahrnehmungs- und Koordinationsstörungen

 

 

Wer darf Therapeutisches Reiten anbieten?

Die Weiterbildung Reittherapie/Hippotherapie richtet sich an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Studium der Berufsrichtungen: Physiotherapeut, Ergotherapeut und Sportwissenschaftler. Wobei die zwei letztgenannten Berufsgruppen den Arbeitsschwerpunkt in der neurologischen Rehabilitation oder Arbeit mit körperlich beeinträchtigten Personen nachweisen müssen. Fundiertes Wissen zur Pferdehaltung sowie sicheres Reiten sind ebenso Voraussetzungen für die Weiterbildung wie auch bestimmte Zertifizierungen (Longierabzeichen, Nachweis: Kurs zu lebensrettenden Sofortmaßnahmen).

Die Zusatzausbildung selbst wird als einjährige, berufsbegleitende Schulung angeboten. Nach Absolvierung aller Module, dem Nachweis über ein Praktikum, Einreichung von Falldokumentationen, Abschlussarbeit und bestandener Prüfung, erfolgt die IPTh-Zertifizierung zum Hippotherapeuten bzw. zur Hippotherapeutin.

Therapeutisches Reiten: Kosten

Die Heilpädagogische Förderung ist keine Kassenleistung und somit in der Regel privat zu finanzieren. In Sonderfällen kann die Reittherapie auch von Krankenkassen, Pflegekassen, Sozialamt oder Jugendamt übernommen werden. Ist eine Krankheit attestiert könnte der Arzt als Heilmethode Reittherapie verordnen. Die Krankenkasse entscheidet dann, ob sie für die Kosten aufkommt. Die Kosten für Therapeutisches Reiten lassen sich aber nicht pauschal festlegen, denn zu individuell sind die Belange der einzelnen Patienten. Im Vorfeld der Reittherapie findet ein Gespräch statt, in welchem man sich kennenlernt und Stärken wie Schwächen auslotet. Gemeinsam setzt man sich Ziele (kurz und langfristig), legt Aufgaben fest und wählt Methoden aus, die größtmöglichen Erfolg versprechen.

Ebenso wie die Ansprüche sich unterscheiden, variieren auch die Preise stark. Wobei es immer auch darauf ankommt, ob es sich um Einzel- oder Gruppenstunden handelt – und wie lange eine Therapieeinheit dauert. Gängige Zeitintervalle bei der Reittherapie sind 30, 45 oder 60 Minuten. Im Durchschnitt muss man bei 30 Minuten mit 30 bis 50 € rechnen und bei 60 Minuten in etwa zwischen 60 und 85 € veranschlagen. Hinzu kommen etwaige Kosten für Vorgespräche und/oder einen notwendigen Assistenten.

Therapeutisches Reiten und Kostenübernahme:

Da wie bereits erwähnt Leistungen wie die Hippotherapie von der Krankenkasse in der Regel nicht übernommen werden, kann unter Umständen ein anderer Kostenträger einspringen. Gerade, wenn das Heilpädagogische Reiten im Vordergrund steht, tragen unter bestimmten Bedingungen auch die Jugend- und Sozialämter die Kosten für die Reittherapie.  Als Beispiele lassen sich die Wiedereingliederungshilfe nennen und falls die Reittherapie für Kinder als Hilfe bei einer problematischen Erziehung dient.

 

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