Motorrad-Bremse entlüften – darauf kommt es an
Heute geht es im Blog um ein Thema, dem Du allein schon aus Gründen der Sicherheit unbedingt Beachtung schenken solltest – dem Motorrad-Bremse entlüften. Wir erklären, wie es zu Luft in der Bremshydraulik kommt, was das für Folgen hat und wie Du das Entlüften durchführen kannst. Eigne Dir Step-by-Step Wissen an, oder, falls Du es eilig hast, springe zum „Quick-Guide“.
- Wann Bremsflüssigkeit wechseln?
- Warum ist Motorrad Bremse entlüften wichtig?
- Wie kommt es zu Lufteinschlüssen im Bremssystem?
- Woran erkenne ich, dass die Bremsflüssigkeit ihren Zweck nicht mehr erfüllt?
- Bremsflüssigkeit – was bedeutet die DOT-Klassifizierung?
- Welche Werkzeuge benötige ich zum Bremse entlüften?
- Bremsflüssigkeit wechseln und Bremse entlüften (mit Quick-Guide)
- Besonderheiten und Anmerkungen
Wann Bremsflüssigkeit wechseln?
Das kommt unter anderem auf Deine Fahrgewohnheiten an. Spätestens alle zwei Jahre solltest Du die Bremsflüssigkeit wechseln. Hast Du generell einen Fahrstil, der die Motorradbremsen stark beansprucht oder bist Du häufig in „Berg und Tal“ unterwegs, dann gerne auch früher.
Warum ist Motorrad-Bremse entlüften wichtig?
Nur dann, wenn es sich um eine geschlossenes hydraulisches System ohne Lufteinschlüsse handelt, funktionieren die Bremsen einwandfrei. Die Flüssigkeit zirkuliert und es kann Druck aufgebaut werden. Jedoch nimmt die Bremsflüssigkeit mit zunehmendem Alter Luft und Wasser auf – es ist unabhängig von den gefahrenen Kilometern. Es schwächt die Bremswirkung deutlich ab oder es kommt zu einem totalen Bremsen-Ausfall. Der Blutkreislauf funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Deshalb ist es auch so fies, wenn der Bösewicht im Thriller dem Opfer eine mit Luft gefüllte Spritze verpassen will.
Wie kommt es zu Lufteinschlüssen im Bremssystem?
Bremsflüssigkeit ist hygroskopisch. Das bedeutet, sie nimmt Wasser auf. Dem kannst Du nicht entgegenwirken, es passiert zwangsläufig. Je älter die Bremsflüssigkeit, desto mehr Flüssigkeit aus der Luft nimmt sie auf. Dadurch sinkt die Temperaturstabilität und die Bremsflüssigkeit beginnt früher zu „kochen“. Bei Hitze bilden sich dann Dampfblasen, die im Gegensatz zur Flüssigkeit leicht komprimierbar sind. Bedeutet: Der Druck, den Du durch Betätigung des Bremshebels ausübst, wird nicht mehr optimal an die Bremskolben weitergegeben. Im Worst-Case-Szenario kannst Du den Bremshebel voll durchziehen, ohne Bremswirkung.
Woran erkenne ich, dass die Bremsflüssigkeit ihren Zweck nicht mehr erfüllt?
Lass es erst gar nicht dazu kommen, dass die Bremswirkung nachlässt. Schau Dir die Färbung der Bremsflüssigkeit im Flüssigkeitsbehälter an. Frische Bremsflüssigkeit ist in der Regel hellgelb. Einzelne Hersteller färben sie auch hellblau oder hellrot ein. Ungeachtet dessen ist alte Bremsflüssigkeit grau bis schwarz. Ist dies der Fall, dann besser Bremsflüssigkeit vorab wechseln. Im Besonderen dann, falls eine Urlaubsfahrt mit vielen Pass-, Berg- und Talfahrten ansteht.
Bremsflüssigkeit – was bedeutet die DOT-Klassifizierung?
Die DOT-Klassifizierung (DOT = Department of Transportation, US-Verkehrsministerium) bezieht sich auf den Siedepunkt von Bremsflüssigkeiten. Bei Zweirädern reichen die DOT-Klassen von 3 bis 5. Wobei DOT 3 einen Siedepunkt von 205 °C, DOT 4 von 230 °C sowie DOT 5 einen Siedepunkt von bis zu 260 °C aufweist. Welche Bremsflüssigkeit Du benötigst, zeigt das Bordbuch. Da DOT 3 und DOT 4 auf Glykolbasis basieren, DOT 5 hingegen auf Silikonbasis aufgebaut ist, dürfen die Bremsflüssigkeiten nicht miteinander vermischt werden.
Welche Werkzeuge benötige ich zum Bremse entlüften?
Folgendes Werkzeug wirst Du in der Regel für den Wechsel der Bremsflüssigkeit benötigen: Kreuzschlitzschraubendreher, Ringschlüssel (je nach Größe der Entlüftungsschrauben), Gefäß aus Kunststoff oder Glas, transparenter Schlauch für die Entlüftung, Drehmomentschlüssel, mehrere saubere Lappen, Silikonfett und, je nach Methode, einen Helfer (dazu später mehr).
Praxistipp: Da die Bremsflüssigkeit ätzend ist und somit Lacke und Kunststoffe angreifen kann, decke empfindliche Teile vorab mit einem Lappen ab. Falls dennoch der eine oder andere Tropfen daneben geht, don’t panic. Mit einem zweiten, sauberen Lappen sofort wegwischen, dann passiert nichts.
Motorrad-Bremse entlüften im Detail – der Quick-Guide
1. Zunächst öffnest Du den Deckel des Bremsflüssigkeitsbehälters (in der Regel Kreuzschlitzschrauben). Achte darauf, dass der Schraubendreher gut passt, da die kleinen Schrauben sonst schnell Schaden nehmen können.
2. Nimm den Deckel ab, ebenso die Gummimembran und lege die Sachen sorgfältig zu Seite.
3. Mit einer Einwegspritze kannst Du alte Bremsflüssigkeit absaugen. Aber aufpassen! Die Nachlaufbohrung am Boden des Bremsflüssigkeitsbehälters muss bedeckt bleiben. Sonst würde Luft in die Bremshydraulik dringen. Und gerade das, gilt es ja zu vermeiden. Und warum dieser erste Absaugvorgang mit der Einwegspritze? Sinn der Maßnahme ist es, den späteren Spülvorgang (mehrmaliges Betätigen des Bremshebels) zu verkürzen, da auf diese Weise schon bald frische Bremsflüssigkeit ins Bremssystem nachfließt. Denn im nächsten Schritt …
4. … kannst Du den Bremsflüssigkeitsbehälter mit neuer Bremsflüssigkeit befüllen. TIPP: Fülle zunächst nicht mehr als ca. zwei Drittel auf. Du wirst während des weiteren Vorgangs den Lenker vermutlich hier und da bewegen und die Flüssigkeit könnte ansonsten leicht überschwappen = total nervig.
5. Für den eigentlichen Entlüftungsvorgang kniest Du am Boden bei der Entlüftungsschraube und hast ZUERST den Ringschlüssel angesetzt. Erst DANN schiebst Du den Entlüftungsschlauch über das Ventil und steckst das andere Ende in das Auffanggefäß. Achte darauf, dass sich im Auffanggefäß bereits etwas Bremsflüssigkeit befindet und der Schlauch bis IN die Flüssigkeit hinein reicht. Da ansonsten wieder Luft ins System geraten kann. Falls Dich das Herzblatt mit zum Yoga-Unterricht nimmt und Du so gelenkig bist wie ein Yogi, hast Du im nächsten Schritt gute Karten. Ansonsten kommt spätestens jetzt Dein Kumpel ins Spiel.
6. Dein Spezl betätigt oben den Bremshebel zwei bis dreimal UND hält ihn im Anschluss gedrückt. Jetzt öffnest Du unten mit dem Ringschlüssel und einer viertel Umdrehung das Auslassventil und siehst, wie über den Schlauch alte Bremsflüssigkeit in den Auffangbehälter fließt. Wenn nichts mehr nachkommt, schließt Du das Auslassventil wieder. Erst DANN …
7. … baut Dein Spezl durch Betätigen des Bremshebels wieder Druck auf und hält den Bremshebel erneut gedrückt. Du öffnest wieder das Auslassventil und lässt alte Bremsflüssigkeit in den Behälter fließen. Diesen Vorgang wiederholt ihr beide im Wechsel so oft, bis nur noch klare, frische und BLASENFREIE Bremsflüssigkeit nachfließt. Ergo: Die Bremsflüssigkeit wurde erneuert und es befindet sich keine Luft im Bremssystem.
8. Nun kannst Du im letzten Schritt die Bremsflüssigkeit oben im Bremsflüssigkeitsbehälter bis zur Markierung auffüllen und den Behälter ordnungsgemäß verschließen.
9. Bei der Hinterradbremse gehst Du ähnlich vor. Auch hier erweist es sich als sehr hilfreich, wenn eine zweite Person die Hinterradbremse betätigt, während Du mit dem Ringschlüssel das Auslassventil mehrfach öffnest/schließt.
10. Ist die Reparatur abgeschlossen, steht eine kleine Probefahrt an. Checke beide Bremsen auf Funktionstüchtigkeit, inklusive Vollbremsung. Sollte eine Bremse immer noch „schwammig“ reagieren, den Entlüftungsvorgang wiederholen. Falls Du das Problem nicht in den Griff bekommst, unbedingt eine Service-Werkstatt ansteuern.
BESONDERHEITEN und ANMERKUNGEN
Bremsflüssigkeit wechseln – Bremse mit ABS
Mit ein klein wenig handwerklichem Geschick (und der helfenden Hand eines Spezls) sollte das Motorrad-Bremse entlüften bei einem herkömmlichen Bremssystem eigentlich keine Probleme bereiten. Verfügt Dein Motorrad hingegen über ein ABS, ist Vorsicht geboten. Motorräder mit ABS haben in der Regel zwei Bremskreise: Den Steuerkreis, der von der Bremspumpe angesteuert wird und den Regelkreis, der über einen Druckmodulator den Bremskolben betätigt. Auch können die Bremsen wie zum Beispiel bei BMW oder Motto Guzzi vorne und hinten miteinander gekoppelt sein (Stichwort: Integralbremse bzw. Verbundbremse). Da für ABS-Bremssysteme nicht nur Fachwissen gefragt, sondern auch Spezialwerkzeug notwendig ist, empfehlen wir, eine Service-Werkstatt aufzusuchen.
Motorrad-Bremse mit ABS entlüften
Einmal kurz die Bremse drücken, um das ABS zu aktivieren. Dadurch öffnen sich die Ventile und die restliche Bremsflüssigkeit vermischt sich mit der im ABS-Block. Ein wichtiger Vorgang vor und nach dem Wechseln der Bremsflüssigkeit.
Bremsflüssigkeit wechseln mit der Vakuumpumpe
Ohne umständliche Yoga-Verrenkungen oder eine helfende Hand klappt das Motorrad-Bremse entlüften mit einer im Handel erhältlichen Vakuumpumpe. Diese wirst Du vermutlich im Set mit dem Auffangbehälter kaufen. Am Deckel des Behälters findest Du zwei Aufsätze für die Schläuche. Ein Schlauch kommt vom Auslassventil des Bremssattels und führt zum Auffangbehälter. Der andere Schlauch führt vom Auffangbehälter weg und wird an der Pumpe (sieht meist aus wie eine Pistole) befestigt. Indem Du die Pumpe betätigst, sorgst Du im Gefäß für einen Unterdruck, der die alte Bremsflüssigkeit nachfließen lässt. Auch hier gilt: Du setzt den Pumpvorgang so lange fort, bis nur noch klare, blasenfreie Bremsflüssigkeit nachfließt. Während des letzten Pumpstoßes mit der Vakuumpumpe schließt Du die Entlüftungsschraube, damit sich auch wirklich nur Flüssigkeit im System befindet.
Bremsflüssigkeit wechseln – die Entlüftungsventile
Die Entlüftungsventile in den Bremssätteln unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller. Hierbei sind unter anderem die Werte zu beachten, mit denen die Entlüftungsventile festzuziehen sind. Die genauen Daten kannst Du den Werkstatt-Handbüchern entnehmen. Hier einige Standardwerte:
- Entlüftungsventile mit SW 7 oder 8 mit maximal 8 Nm festziehen
- Entlüftungsventile mit SW 11 bis 15 bis maximal 18 Nm festziehen
- Besonderheit: Falls Entlüftungsventil in der Handbremspumpe, wird mit 3 bis 4 Nm festgezogen
OK, wir hoffen, dass Dir die Reparaturanleitung zum Thema Motorrad-Bremse entlüften eine Hilfe war und Deine Bremsen wieder voll funktionstüchtig sind. Im Helmexpress Magazin findest Du weitere interessante Beiträge. Auch Marcs Motovlog wird ständig erweitert. Das Team von Helmexpress wünscht allen viel Spaß beim Biken.